Verrückte Welt: Während Menschen in armen Ländern der reinen Not gehorchend wiederverwerten, basteln und improvisieren, was das Zeug hält, träumt ein Teil unserer saturierten Wohlstandsgesellschaft von den romantischen Zeiten einer Graswurzelökonomie oder übt demonstrativ Konsumverzicht, um von Abfällen zu leben. Ideologisch überhöht ist diese Haltung inzwischen sogar zum politischen Credo einer neuen avantgardistischen Bewegung geworden, die dem Umfeld der organisierten Globalisierungskritik zuzurechnen ist. Während sich viele ihrer Protagonisten in der Jugend einen Wettstreit um die coolste Markenklamotte lieferten und ihre Freizeit bevorzugt beim Shopping verbrachten, singen sie nun das Hohelied auf das einst so verpönte No-Name-Produkt. Bücher mit Titeln wie Good Bye Logo!, No Logo! oder No Shopping! genießen Kultstatus in dieser Szene. Und die wird garantiert auch ihre Freude am Buch von Holm Friebe und Thomas Ramge haben. Ausgehend vom geflügelten Wort von der „Marke Eigenbau“, das aus den Zeiten vor dem Wirtschaftswunder in der BRD bzw. der Mangelwirtschaft in der DDR stammt, werden hier Facetten und Auswüchse des „real existierenden Konzernkapitalismus“ einer ebenso ätzenden wie geistreichen Analyse unterzogen sowie programmatische Formen der Verweigerung und des Protests aufgezeigt. Wer seine Sozialisation in der pseudoanarchischen Alternativbewegung der 1970/80-er Jahre genossen hat, als das Tragen von Batiktüchern, gefärbten Latzhosen und selbst gestrickten Socken ebenso unverzichtbar zum Ausdruck eines systemkritischen Nonkonformismus gehörte wie Teestuben, Naturkostläden und Handwerkerkollektive wird bei der Lektüre so manches Déjà-vu erleben. Hier feiert ein postmaterialistisches Gedankengut fröhliche Urstände, das in der Geschichte des Industriekapitalismus immer mal wieder in der einen oder anderen Form ins Kraut schoss. Das letzte Mal musste es schlussendlich dem restaurativen Trend zur freiwilligen Anpassung der Jüngeren an das nicht zu überwindende Leistungsethos des „Establishments“ Tribut zollen. Arnold Abstreiter