Totgesagte leben bekanntlich länger. Auf den Philosophen Karl Marx trifft dies allemal zu, denn seit dem Untergang des Staatssozialismus und dem globalen Siegeszug des westlichen Kapitalismus, erlebt die Marxsche Theorie eine kraftvolle Renaissance. Hierzulande ist es vor allem Robert Kurz der, wie zuletzt in seinem Schwarzbuch Kapitalismus gezeigt, das Marxsche Werk als „theoretischen Sprengsatz“ von hoher Brisanz begreift: „Die Marxsche Theorie ist nicht etwa widerlegt, sie gewinnt erst jetzt ihren historischen Wahrheitsgehalt; allerdings nur, wenn sie gegen den Strich des Arbeiterbewegungs-Marxismus gebürstet und als radikale Kritik des modernen Fetischismus warenproduzierender Systeme gelesen wird.“ Es ist nicht mehr der Marx des Klassenkampfes und der Arbeiterbewegung, sondern der „negative Systemtheoretiker“ Marx, den Kurz seinem Publikum nahe bringen möchte. Mit einer solchen Lesart löst er sich von der geläufigen Interpretation der Marxschen Theorie, und damit von ihrer ideologischen Instrumentalisierung. Er entdeckt Marx quasi neu als eine radikale Entwicklungs- und Krisentheorie des modernen warenproduzierenden Systems, und verleiht ihm so eine ungeahnte Aktualität. Wer nun allerdings von dem Lesebuch neue, bisher unbekannte Texte erwartet, wird enttäuscht werden. Kurz hat den „anderen“ Marx im altbekannten entdeckt, hat ihn herausgebrochen und neugeordnet. Marx neu zu entdecken heißt, seine Theorie mit neuen Augen zu lesen und sie von ihren historisch bedingten Widersprüchen zu befreien. „Es wird immer offensichtlicher, dass die großen Fragen der kommenden Jahre und Jahrzehnte innerhalb der kapitalistischen Gesellschaftsform niemals zu bewältigen sein werden“, schreibt Kurz. Die radikale Kritik des „anderen“ Marx kann sich gerade in dieser Hinsicht als fruchtbar erweisen. Sein Marx-Lesebuch wendet sich daher an alle, „die den Kapitalismus mit seinen verrückten Anforderungen bis oben hin satt haben“. Ihnen sollen die Texte „geistige Nahrung“ und Rüstzeug zugleich sein. –Stephan Fingerle
— Dieser Text bezieht sich auf eine vergriffene oder nicht verfügbare Ausgabe dieses Titels.