Nach einer Verkettung unglücklicher editorischer Umstände und vielen Jahren der Arbeit liegt nun — nach Kolks blonde Bräute — endlich der zweite Teil der Hagener Trilogie vor: Morbus fonticuli oder die Sehnsucht des Laien. Man trifft all die munteren Kneipengesellen und Skatfreunde wieder: Heiner, Satschesatsche und Kolk, aber im Rampenlicht steht diesmal Bodo, Bodo Morten. Und Bodo Morten leidet nicht nur an Morbus Fonticuli, er ist darüber hinaus ein wahrhaft durchtriebener Kerl! Das wird spätestens im Hauptteil des Romans allzu deutlich: Hier nämlich befinden sich die Tagebucheinträge von Bodo Morten, die er vom Herbst 1994 bis zum Frühjahr 1995 geführt hat, bevor er verschwindet und seine Freunde ihn wieder finden — fast nackt in die Erde vergraben und längst zum psychiatrischen Fall geworden. Aber Morbus fonticuli oder die Sehnsucht des Laien ist mehr als ein Tagebuch: Es ist ein brillant komponierter Kneipenroman, ein Schelmenroman, ein Heimatroman — und vor allem ist Morbus fonticuli eine sprachlich furiose Meisterleistung: Frank Schulz besitzt eine ungeahnte Sensibilität für die Alltagssprache bei gleichzeitigen poetischen Höhenflügen. Die Tagebucheinträge indes sind unterteilt in drei „Bärbel-Phasen“ und zeugen vom Fall des Bodo Morten. Ein Straucheln zu Anfang, ein Stolpern schließlich und ein unaufhaltsames Hinausgeschleudertwerden aus dem eigenen „Paralleluniversum“: Das Doppelleben als Ehemann der immer geliebten Anita einerseits und die Amour fou zu Bärbel mit dem „gottgegebenen Boulevardarsch“ andererseits, treibt ihn zusehends in Wahnsinn und Nervenzusammenbruch. Das alles freilich könnte tragisch anmuten, aber: Frank Schulz ist überdies ein Zeremonienmeister der Komik! Er verhilft uns in einer höchst erquicklichen Melange aus Scherz und Satire, Ironie und Parodie, Kalauer und Nonsens zu vielem Schmunzeln und manchem lauthalsen Gelächter — und nicht zuletzt zu großem Staunen darüber, wie einfach er Alltagsbanalitäten in Witz zu verwandeln vermag. Ach ja, Morbus Fonticuli, das ist eine Krankheit, die zwar auf Nerven (vermutlich auch auf Lunge und Leber gleichermaßen) schlägt, die aber dafür das Schreib- und Sprachzentrum der befallenen Person zu Höchstleistungen stimuliert. Wer möchte also nicht an ihr leiden? –Christian Stahl