Ratgeber zum Nikotinentzug werden in der Regel von einem Paulus geschrieben. Maja Storch hat einen Ratgeber geschrieben, der es anders macht. Rauchpause ist ein Buch für Raucher, die sich nicht umerziehen lassen wollen. Die aber, wie so viele unter den Rauchenden , wie es hier geschlechtsneutral korrekt heißt, durchaus einmal mit dem Gedanken ans Aufhören spielen. Die Schweizer Psychologin und Psychoanalytikerin bietet dafür eine Anleitung, die sich an ihren eigenen Erfahrungen mit dem Nikotinentzug orientiert. Ihre ersten Versuche damit scheiterten auf eine Weise, die viele kennen dürften: Der kalte Entzug geht eine Weile gut. Dann mehren sich die Situationen, in denen ein übellaunig-depressiver Kampf gegen das Verlangen nach einer Zigarette beginnt. Der Wille gerät in Dauerstress. Und irgendwann fegt ein ganz beiläufiger Wunsch nach einem Glimmstengel den eisernen Beschluss mühelos hinweg. Storch begreift, dass sie sich keine neue Identität als Nichtraucherin entworfen hat. Die psychischen Gratifikationen, die sie, wie so viele, mit der Zigarette verbindet, sind höchst real: Man sollte sie nicht einfach leugnen. Die Autorin macht sich also zunächst bewusst, was das Rauchen für sie konkret bedeutet. In ihrem Fall ist es das Unangepasste, Rebellische, Nichtkonforme, ein Gefühl von Autonomie und Selbstbestimmung. Herkömmliche Ratgeber versuchen das als Selbsttäuschung zu entlarven. Maja Storch hingegen nimmt diese unbewussten Besetzungen mit ins Boot und sucht nach einem Selbstbild, das beide Gründe – die für und die gegen das Rauchen – auf einer höheren Ebene in einem Sowohl-als-auch vereint. So erarbeitet sie sich ein Selbstbild als Rauchrebellin , die nur eine Rauchpause einlegt – und damit ihre schöne Haut bewahrt (denn das war ihr persönlicher Grund, ans Aufhören zu denken).Entscheidend an diesem Bild ist nicht, dass es andere überzeugt. Entscheidend ist, dass es das eigene Rauch-Unbewusste überzeugt, dass es sich gut anfühlt. Schon deshalb bietet Storch nicht den einen, vorgezeichneten Weg, um mit dem Rauchen aufzuhören, sondern eine Handreichung, wie man die unbewussten Motive erkennen und durch andere ersetzen kann. Dabei ist das neue positive Bild vom zigarettenlosen Selbst nur der erste Schritt. Die eigentliche Detailarbeit beginnt jetzt erst, und Storch beschreibt überzeugend, wie sinnvoll es ist, sich mit dieser Ablösungsarbeit vom Rauchen Zeit zu lassen. Denn nun geht es um den Alltag mit der Zigarette: Wann rauche ich auf jeden Fall, ohne mir auch nur im Ansatz die Frage zu stellen, ob ich will? PZFZ-Automatismus nennt sie diese Situationen, Päckchen suchen – Zigarette herausnehmen – Feuer suchen – Zigarette anzünden . Jetzt ist die Ampel rot, jetzt muss ich eine rauchen, so lautet nach vierwöchiger Selbstbeobachtung der erste Eintrag in der Liste der Autorin. Der bloße Anblick der Liste, so Storch, mache einem schon deutlich, warum die Hauruckmethode, der Sofortstopp, so schwierig ist und so rückfallbedroht: Die Zigarette hat sich mit einer Vielzahl von Situationen verbunden und dabei tief im Unbewussten eingenistet. Also entwickelt Storch Wenn-dann-Pläne (nach dem Psychologen Peter Gollwitzer): individuelle, auf die jeweilige Rauchsituation bezogene Alternativen: Wenn die Ampel rot ist, dann lutsche ich eine Zitronenmelissenpastille. Der Weg, den Storch ging, ist kein kurzer. Anderthalb Jahre hat sie gebraucht, bis auf ihrer Liste nur noch zwei Rauch-Automatismen standen. Die Alternative zur Zigarette muss für jede Situation überlegt sein, sie muss das ursprüngliche Bedürfnis – wie das Überbrücken einer kurzen Wartezeit – so sinnvoll befriedigen, dass sie zu einem neuen Automatismus werden kann. Aber der Erfolg bei einer einfachen Übung verleiht bekanntlich Kraft für die nächste, etwas schwierigere. (Ausschnitt aus der FAZ-Rezension vom 30.11.2008)