Mit Spuren der Macht hat Herlinde Koelbl nach Jüdische Portraits und Im Schreiben zu Haus einen weiteren bemerkenswerten Band mit Fotografien und Interviews vorgelegt. Der Glücksgriff, bei der Auswahl derer, die sie für ihr neues Buch seit 1991 im Jahresrhythmus fotografiert und interviewt hat, ist sicherlich Joschka Fischer. Welch eine Metamorphose hat dieser Mann hinter sich: Vom politischen Außenseiter (als der er Anfang der achtziger Jahre in Turnschuhen auf der politischen Bühne erschienen war) über das Amt des hessischen Umweltministers (das er zu Beginn des Projekts von Herlinde Koelbl bekleidete) zum — Hand aufs Herz: wer hätte das vor acht Jahren gedacht? — allseits geachteten und auch in Stilfragen sicher agierenden Außenminister. Und dann nimmt dieser Mann zwischen zwei Gesprächs- und Fototerminen auch noch beinahe 30 Kilogramm ab, nachdem seine dritte Ehe endgültig gescheitert ist. Doch ein Glücksgriff ist Joschka Fischer nicht nur als Objekt der — im übrigen gnadenlos „ehrlichen“ — Kamera. Er ist es auch als Gesprächspartner. Ins Schwarze getroffen hat Herlinde Koelbl auch mit Gerhard Schröder, der nicht nur ebenfalls mit dem plötzlichen und überraschenden Scheitern auch seiner dritten Ehe aufwartet, sondern am Ende Bundeskanzler ist, und überhaupt nicht mehr so offenherzig plaudert, wie zu Beginn des Projekts, als die Veröffentlichung des Buches noch in weiter, und das Amt des Kanzlers in noch viel weiterer Ferne schien. Immerhin: Fotografieren lässt er sich offensichtlich immer noch gerne. Auch die übrigen Interviewpartner erweisen sich großteils als Treffer. Etwa der 1989 mit gerade mal 30 Jahren zum Literaturchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bestellte Frank Schirrmacher. Der ist 1994 nicht nur zum Mitherausgeber aufgestiegen, sondern hat zu diesem Zeitpunkt ein äußeres Erscheinungsbild erreicht, das einen schaudern läßt. Mittlerweile strahlt er — scheinbar „erholt“ — beinahe wieder so viel Zuversicht aus wie 1991. Und dann wären da noch: Angela Merkel, Karlheinz Blessing, Monika Hohlmeier, Arnold Vaatz, Heinrich von Pierer, Heide Simonis, Henning Schulte-Noelle, Renate Schmidt, Peter Gauweiler, Friedbert Pflüger, Rolf Schlierer und Irmgard Schwaetzer. Alles in allem: schlichte Idee, überzeugendes Ergebnis. –Andreas Vierecke
— Dieser Text bezieht sich auf eine andere Ausgabe:

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