Theater der Neo-Avantgarde tlm. Oft genug scheitert der Versuch, theoretische und praxisorientierte Texte über modernes Theater, zumal aus unterschiedlicher Feder, in einem Band als zusammenhängendes Ganzes zu publizieren. Die vorliegende Kollektion über Theater seit den sechziger Jahren bildet eine Ausnahme: Die acht Aufsätze, fast alle gut lesbar, ergeben ein überzeugendes Mosaikbild experimenteller Bühnenkunst. Der theoretische Teil des eng gedruckten Bandes weist vor allem nach, dass der Aufführungscharakter, der noch in den vierziger und fünfziger Jahren Theater von Literatur und bildender Kunst abgrenzte, seit etwa 1960 zunehmend in anderen Sparten des Kunstbetriebs zum konstitutiven Faktor geworden ist. Die Koproduktionen von John Cage und Merce Cunningham gehören hier zu den anschaulichsten Belegen. Der zweite Buchteil führt vor, inwiefern sich Raumwahrnehmung, Körperempfinden und Wertigkeit von Materialien im gegenwärtigen Theater, das von der Performance geprägt ist, gewandelt haben. Als Untersuchungsgegenstände dienen die Arbeit der Schaubühne am Halleschen Ufer, die Darstellung der Französischen Revolution im Theater nach 1945, theatralische Versuche über den Holocaust sowie Eduardo Arroyos, Klaus Michael Grübers und Jorge Semprúns Projekt «Bleiche Mutter, zarte Schwester». Literaturangaben gibt es durchgehend genug, an Näherem zu den Autoren dagegen mangelt es.