„Was ich liebte, das bleibt“, weiß Leo Hertzberg in Siri Hustvedts neuem Roman. Was dem jüdischen Kunsthistoriker nach seiner Erblindung im Alter aber bleibt, ist eigentlich nur mehr die Erinnerung an ein Leben, dessen Verlauf er sich in jungen Jahren anders vorgestellt hatte. Hertzberg wohnt in New York, in einem Loft in unmittelbarer Nähe zur Familie des befreundeten Malers Bill Wechsler, dessen Frauenakt er einst in einer Galerie erworben hatte. Aus der Retrospektive enthüllt Hustvedt die Lebensentwürfe der Freunde, deren Biografie nicht zuletzt durch die Schicksalsschläge ihrer Kinder eine unvorhersehbare Wendung nimmt. Am Ende bleibt nur die Kunst — und eine Erkenntnis, dass am Ende allein die Erinnerung an die Liebe überlebt. Nacherzählt klingt das sehr kitschig. Was aber Hustvedt aus ihrer simplen Botschaft macht, ist überaus bemerkenswert. Hustvedt ist die Frau des postmodernen Erzählgenies Paul Auster, dem sie Was ich liebte gewidmet hat und mit dem sie in New York zusammen wohnt. Tatsächlich scheinen sich viele ihrer Erzählstrategien seinem Einfluss zu verdanken. Wie sie diese allerdings aufgenommen und weiter entwickelt hat, ist sehr beachtlich. Nicht zuletzt der Einfall, einen Erzähler des anderen (hier: männlichen) Geschlechts zu wählen (ein Einfall, der im Titel des Frauenaktes von Wechsler — „Selbstporträt“ — in postmoderner Manier im Roman gespiegelt wird), ist überaus gelungen und konsequent umgesetzt. So ist Was ich liebte ein stringent erzählter Künstlerroman von hoher Eigenständigkeit geworden. Hustvedt ist eine nicht mehr ganz neue, aber in Deutschland unbedingt noch zu entdeckende Erzählstimme Amerikas. –Stefan Kellerer
— Dieser Text bezieht sich auf eine vergriffene oder nicht verfügbare Ausgabe dieses Titels.