Wie wir waren! www. Alles klar? Doch wer ist wir? Obwohl Constantin Gillies jegliches Wirgefühl als vereinsmeierhaft „spießig“ abtut (absolute Lieblingsvokabel des Autors), kann er einen gewissen Stolz nicht verhehlen, zum exklusiven Zirkel derer gehört zu haben, die den Dotcom-Hype hautnah miterlebten. Experten schätzen heute, dass nur etwa 50.000 Menschen in Deutschland direkt etwas mit dem Internetboom zu tun hatten. Start-up-Gründer, Webdesigner, Investoren, PR-Menschen und Informatiker bildeten das Net-Set, den „digitalen Hochadel“. Heute handelt es sich größtenteils um verarmten Adel und der Autor wirft einen bedauernden, aber durchaus amüsanten Blick zurück auf die wilden Jahre der Web-Generation. Der selbst ernannte Geschichtsbewahrer Gillies präsentiert keine „pingelige Chronik“, sondern launige bis traurige Stories über Auf- und Aussteiger in einer Zeit, in der sich die ganze Nation in die Wirtschaft verliebt hatte. War 1995 das Internet hier zu Lande noch weit gehend unbekannt, so herrschte zum Milleniumswechsel bereits Goldgräberstimmung. Mit einem Knopfdruck machten Kids auf einen Schlag mehr Geld als ihre Eltern in einem ganzen Arbeitsleben. Cargohose und Ziegenbärtchen waren plötzlich in den Vorstandsetagen der Großkonzerne salonfähig geworden. Wir erleben innovative, aber schreibschwache Glücksritter, die mit Adressen wie „foegeln.de“ ihre schicksalhafte Visitenkarte abgaben, Kids, die direkt vom Sandkasten zum „Managing Director Europe“ mutierten — bis hin zur „nemax nation“, dem absoluten Tollhaus des Kapitalismus. Am Ende durchstreift Gillies, der seine Helden gerne mit Western-Metaphern bedenkt, Geisterbüros von Unternehmen, die einst das Börsengeschehen bestimmten. Geblieben sind abgeschaltete Server, formatierte Festplatten, Firmen ohne Geschichte. Eines der Phänomene in einer digitalen Welt. Übrigens gingen nicht alle Dotcoms im New-Economy-Orkus unter. Besonders ein gewisses, von Gillies häufig erwähntes Unternehmen und sein Gründer finden seine uneingeschränkte Bewunderung. Wir zitieren: „1995: Trip zum Buchhändler. Sieht schlecht aus. Müssen wir bestellen. Nach sechs Wochen wieder in die Stadt fahren. Das bestellte Buch ist natürlich nicht da. Heute: Ein Wort: Amazon. Das nur zur Erinnerung.“ — Entschuldigung, aber ein wenig Eigenlob darf erlaubt sein. –Ravi Unger