Der Kunde ist heute anspruchsvoll. Er lässt sich nicht mehr jeden austauschbaren Schnick-Schnack vorsetzen. Denn er kann sich über fast alles, was die Märkte dieser Welt feilbieten, rund um die Uhr informieren, er kann seine Ansprüche sofort formulieren und den Herstellern und Händlern so ziemlich der meisten Produkte eins husten, wenn ihm das Angebot nicht zusagt. Deshalb wird der Kunde von Marketingexperten Tag und Nacht unter die Lupe genommen. Zum Beispiel durch die Zielgruppen-Forschung. Der Münchner Journalist Jochen Kalka, hauptberuflich Chefredakteur des Fachmagazins Werben&Verkaufen (W&V), und sein Kollege Florian Allgayer haben jetzt die wichtigsten Zielgruppen ausführlich in einem Bildband beschrieben. Die größte Gruppe in Deutschland mit 16 Prozent ist die „bürgerliche Mitte“. Ihre Kennzeichen: „Der statusorientierte Mainstream möchte in gesicherten Verhältnissen leben und sich mit gleich gesinnten, gut situierten Freunden umgeben – Experimente sind hier weniger gefragt.“ Der Altersschwerpunkt liegt zwischen 30 und 50 Jahren. „Sie konsumieren gerne, aber vernünftig – mögen als gut informierte Smart Shopper Convenience-Produkte. Zentral ist die Beschäftigung mit ihren Kindern, Vereinsaktivitäten, Wandern, Einladung von Bekanten und Freunden; interessieren sich für Haushaltsgeräte, Putz- und Pflegemittel sowie Wohnungseinrichtung“. Sie glauben jedoch nicht mehr uneingeschränkt an eine rosige Zukunft und werden zunehmend von Existenz- und Abstiegssorgen geplagt. Kaum zu glauben, dass fast die gesamte Wirtschaft immer noch dem alten Kundendenken huldigt. Herzstück dieser Denkfigur ist das Zielgruppen-Denken. Also die Annahme, Menschen können standardisiert und normiert werden. Das Motto lautet: Wir setzen den blökenden Schafen die Produkte vor die Nase, die wir wollen und von denen wir glauben, die Verbraucher hätten sie pflichtschuldigst zu konsumieren. Doch merke: Jeder ist anders. Er macht, was er will. Ständig wird versucht, ihn wieder einzufangen oder auf Spur zu bringen. Denn zu viel Unberechenbarkeit und Chaos schadet der Wirtschaft. Die Unordnung in Ordnung zu bringen und die wilde Freiheit zu bändigen ist das eigentliche Ziel der Zielgruppen-Apostel. Ihr Hauptproblem: Die Kunden lassen sich so einfach nicht mehr in Schubladen verschieben. Sie tauschen ihre Rollen, wie sie wollen. Kaufen bei Aldi einen Fahrradhelm für 6.99 Euro, schwingen sich aufs 6.000 Euro-Rennrad und knipsen auf der Billig-Digikamera von Media Markt herum, bevor sie am Abend mit ihrem Porsche Boxster auf den Boulevards der Großstädte cruisen. –Peter Felixberger
— Dieser Text bezieht sich auf eine vergriffene oder nicht verfügbare Ausgabe dieses Titels.